Vieles was wir im Leben machen, machen wir einfach. Wir überlegen oft nicht einmal, man könnte sogar sagen, es macht einfach mit uns. Wenn man etwas genauer hinschaut, TUN wir das meiste im Leben aufgrund unserer Werte und Normen, also aufgrund dessen, wie wir erzogen und geprägt wurden. Im Hintergrund aber „arbeiten“ unsere Bedürfnisse!
Ein Bedürfnis ist das Verlangen oder der Wunsch, einem empfundenen oder tatsächlichen Mangel Abhilfe zu schaffen. Jeder Mensch hat Bedürfnisse (unbegrenzt, unterschiedlich, wandelbar, von verschiedenen Bedingungen abhängig, im Einzelnen mehr oder minder dringlich). Stangl
Marshall B. Rosenberg, Entwickler der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), definierte die wichtigsten Bedürfnisse wie folgt:
Bedürfnis nach Selbsterhaltung oder physischer Existenz Gesundheit, körperliche Bedürfnisse, Wasser, Nahrung, Licht, Luft, Schlaf, Sexualität
Bedürfnis nach Sicherheit Schutz, Sicherheit im Lebensalltag, politischer Frieden, Schutz der Familie, Geld, Arbeitsplatz
Bedürfnis nach Empathie Verständnis, „Gesehen-und Gehört werden“, Anerkennung, Wertschätzung, Respekt, akzeptiert werden
Bedürfnis nach Erholung und Spiel Entspannung, Ruhe, freie Zeit, Möglichkeit, sich körperlich und geistig „aufzutanken“, zweckfreies Tun, Spiel, Urlaub / Ferien, Alleinsein, Freude, Lachen
Bedürfnis nach Kontakt und Zugehörigkeit, Geborgenheit Soziales Umfeld, Freundschaften, Nachbarschaft, Heimat, Haus, Partnerschaft, Liebe als „Gefühl“, Teil des Teams/der Firma/der Familie zu sein, Nähe, Gemeinschaft, Zusammensein mit Menschen die ähnliche Interessen haben, Rücksichtnahme, zur Bereicherung des Lebens beitragen, Liebe, Geborgenheit, Respekt, Unterstützung, Vertrauen, Verständnis, Wertschätzung, Nähe, Liebe, Geborgenheit, Austausch
Bedürfnis nach Autonomie und Integrität Selbstbestimmung, Selbstentfaltung, Selbstausdruck, Eigenverantwortung, so leben und arbeiten zu können wie man selbst möchte, Ziele, Träume, Werte wählen, Pläne zur Erfüllung der Ziele und Träume, Wahlfreiheit, Individualität, Freiräume für schöpferisches Arbeiten, Kreativität, Authentizität, Selbstwert
Bedürfnis nach Würde und Sinn Sinnhaftigkeit des Tuns, Beitrag zum Ganzen, Gebrauchtwerden, „Bedeutung“ der eigenen Arbeit, Sinn des Lebens, Ziele haben, Selbstwert, Kreativität, Authentizität
Feiern Entstehung des Lebens, Erfüllung von Träumen, Erreichen von Zielen, Lebensübergänge, Verabschiedung von Menschen
Spiritualität Schönheit, Frieden, Inspiration, Glaube
Vermutlich haben Sie in der Liste auch Ihre wichtigsten Bedürfnisse erkannt. Es gibt Bedürfnisse, die müssen einfach sein! Doch wie äußern sich diese? Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Sie gehen ins Fußball-Training. Was wird Ihr Bedürfnis dahinter sein? Spiel, Freude, Lachen, Nähe, Respekt, Austausch und vielleicht noch Gemeinschaft? Das alles können Ihre Bedürfnisse hinter der Absicht des wöchentlichen Trainings sein. Nun könnten aber hinter der gleichen Tätigkeit bei einer anderen Person auch andere Bedürfnisse stecken: Anerkennung, Wertschätzung, Ziele haben und erreichen. Diese Person geht vielleicht nicht zum Spass zum Training, sondern um zu gewinnen. Was meinen Sie, wie werden wohl die beiden Spieler miteinander umgehen?
Wie Sie sehen, kann jede Tätigkeit für jede Person andere Bedürfnisse im Hintergrund wecken. Anders ausgedrückt, wir haben alle verschiedene Strategien um unsere Bedürfnisse zu decken. Doch warum schreibe ich über dieses Thema? Es kommt regelmässig vor, dass wir Paare im Coaching haben, welche sich gegenseitig nicht verstanden fühlen. Wenn wir uns dann auf die Suche nach der Ursache machen, kommen in den meisten Fällen die wahren Bedürfnisse zum Vorschein. Und wenn man die wahren Bedürfnisse hinter seinem TUN erkennt, eröffnet sich umgehend die Möglichkeit, eine andere Strategie dafür zu finden oder aber einen Lösungsansatz für die Herausforderung zu definieren.
Einige Bespiele:
Ich habe das Bedürfnis nach Anerkennung. Ich kann nun entweder mir selber diese Anerkennung geben, ich kann sie in der Familie holen, bei der Arbeit, ich kann extreme Sportereignisse besuchen, ich kann fremdgehen, usw. Alles um Anerkennung zu bekommen.
Ich habe das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Dafür kann ich einem Verein angehören, mich in einer Partei engagieren, in einer Rockband spielen, eine Familie gründen, einen Kurs besuchen, usw.
Wie Sie sehen, kann man seine Bedürfnisse mit verschiedenen Strategien stillen. Wichtig als Paar ist es, seine Bedürfnisse gegenseitig zu (er)kennen und sich darüber auszutauschen. Denn oft entsteht genau hier der Nährboden für Missverständnisse, Ärger, Frust und Konflikt. Wenn wir in der Beratung mit den Paaren daran arbeiten, sich selber und gegenseitig „wirklich“ zu verstehen, mit all den Ängsten und Zweifeln die man hat, entsteht in den meisten Fällen grosses Verständnis und Hoffnung. Oftmals braucht es einen begleiteten ersten Schritt, um gemeinsam und gegenseitig offen zu den Ängsten und Zweifeln zu stehen. Gerade für uns Männer, denen über Jahre und Generationen beigebracht wurde, keine Angst zu zeigen, stark zu sein: Schwächen gibt es nicht. Das hat dazu geführt, dass gerade die Männer richtiggehend lernen müssen, über Ängste und Zweifel zu reden. Ich kann Ihnen aus meinem eigenen Erlebtem nahelegen, machen Sie diese Erfahrung von "sich fallen lassen“. Sie werden merken, dass Ihre Partnerin dankbar sein wird. Denn über Jahre hat sie vielleicht geglaubt, sie haben wirklich keine Ängste oder Zweifel. Sie wird Erleichterung, das Gefühl von Augenhöhe, Mitgefühl und ein offenere Raum verspüren und ein Raum öffnet sich in dem Neues entstehen kann.
Seien Sie gegenseitig mutig, öffnen Sie sich einander. Sie werden überrascht sein, was daraus entstehen kann. Wenn Sie Unterstützung für diesen Prozess benötigen, dann melden Sie sich bei uns.
Herzliche Grüsse. Thomas Schärer
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